Reinhardt Gürtler:
Sascha Büttner zitiert
Im Rahmen der Zeitung "KUNSTFORUM", die in Bd. 142 ausführlich das Thema
Lebenskunstwerke (LKW) behandelte, hätte zwingend das Lebenskunstwerk Sascha Büttners
thematisiert werden müssen. Mir ist kein anderer Künstler bekannt, der so hartnäckig
über nunmehr fast zehn Jahre auf allen Klaviaturen der Kunst spielt, um letztlich sich
selbst als Totalkünstler bzw. Totalkunstwerk unauslöschlich in das Gedächtnis der
Kunstwelt einzuschreiben. Skulptur, Arbeiten des Erinnerns, Performances, Video- und
Fotokunst, Installationen, dies sind alles Felder, die Büttner gleichermaßen beackert
hat. Obgleich sein mageres Oeuvre allen Museen und Kunstinstitutionen zumindest im
deutschsprachigen Raum bekannt sein dürfte, seine Qualität auch zweifelsohne anerkannt
ist, so haben seine Arbeiten trotzdem nur in geringem Maße Eingang in öffentliche
Sammlungen gefunden. Auch hat sich noch keine der großen namhaften Institutionen diesem
vielseitigen Künstler in Form einer großen Retrospektive angenommen und diese auf Tour
ins Ausland geschickt. Mancher nur an Beuys festgemachte Entwicklungsschritt des
Kunstbegriffs ist eigentlich ihm zuzuschreiben, sowie er oftmals konzeptionelle Ideen
erdachte und realisierte, bevor die Kunstöffentlichkeit für deren Rezeption reif war. Um
so größer ist Sascha Büttners vehement geäußertes Unverständnis über die Ignoranz
eines Kunstbetriebs, der mitunter viele Jahre später junge Künstlerinnen und Künstler
mit diesen - vielleicht unwissentlich - entlehnten Ideen zu neuen Stars erklärt. So sucht
man trotz seiner vielen radikalen Performances ab den frühen neunziger Jahren vergeblich
im Katalog der international tourenden Ausstellung "Out of Actions - between
PERFORMANCE and the object" nach einem Hinweis auf Sascha Büttner.
Ganz gewiß wirkt sich der Mangel an formaler Homogenität - Stil der Stillosigkeit - in
Sascha Büttners Werk, wie sie z.B. die uniformen Oeuvres von Nam June Paik, Günther
Uecker oder auch Ulrich Rückriem auszeichnet, zu seinen Ungunsten aus. Seine geist- und
humorvolle Eloquenz sowie die von einigen Ausstellungsmachern gefürchtete Beschlagenheit
in Literatur-, Kunst-, und Geistesgeschichte haben seine Vorträge beim Publikum zu
beliebten Happenings werden lassen. Unablässig reist Sascha Büttner mit seinem alten BMW
durch die Republik und benachbarte Länder zwecks Vorträgen, Gastdozenturen und
Ausstellungsbeteiligungen, während sein Anrufbeantworter zu Hause sich aufgrund der
erschöpften Kapazität weigert, die wiederholten Anrufe der um Einhaltung von Terminen
fürchtenden Ausstellungsmacher und Galeristen zu speichern. Büttners Hyperaktivität ist
bei den Organisatoren von Ausstellungen gefürchtet, da sie nicht selten zu erhöhtem
Termindruck führt, der aus einem fünf vor zwölf ein fünf nach zwölf
werden läßt. Das Bild des noch während der Vernissage mit dem Aufbau beschäftigten
Sascha Büttner hat sich mittlerweile bei vielen Besuchern seiner Ausstellungseröffnungen
tief eingeprägt. Eine unbeirrbare Haltung und Ausdauer sind notwendige Eigenschaften für
die Realisierung einer Ausstellung mit Sascha Büttner.